Am 5. Oktober 2021 beginnt Michael Klonovsky seine acta diurna wie folgt:
„Andere Völker lieben ihr Land und verachten den Staat. In Deutschland ist es umgekehrt.”
Irgendwo im Netz gelesen. Erklärt zwar nichts, erhellt aber einiges.
... und beschließt sie wie folgt:
24. August 2021 |Madeleine Reckmann: AfD-Bundesparteitag im Dezember in Wiesbaden
Magistrat sieht keine rechtliche Handhabe, das Congresscenter nicht zur Verfügung zu stellen. Gegenproteste sind angekündigt.
Wiesbaden wird im Spätherbst im Fokus diverser Veranstaltungen gegen die AfD stehen. Die rechtspopulistische und rechtsextreme Partei darf an dem Wochenende 11. und 12. Dezember im Rhein-Main-Congresscenter (RMCC) ihren Bundesparteitag abhalten. Dies wird einige Gegenveranstaltungen zur Folge haben.
In Rede steht nicht das Deppenwort „Gegenproteste” – das allenfalls dann zuträfe, wenn der Parteitag selber als Protest bewertet würde –, sondern die Tatsache, dass einer in allen Parlamenten vertretenen, von Millionen Deutschen gewählten Partei ständig und unter Androhung von Gewalt oder sozialer Ächtung an die Adresse der Vermieter Räume verweigert werden und, wie hier, ein Magistrat, also eine öffentliche und steuerfinanzierte Behörde, sich dafür rechtfertigen muss, dass man abwechslungshalber den normalen zivilen, grundgesetzlich garantierten Gepflogenheiten zu obliegen nicht umhinkommt.
Der FAZ-Journalist Justus Bender, jeder Zoll eine Charakternatur, nannte die AfD nicht ohne Behagen eine „Partei der Unberührbaren”, also der Parias, der Tschandalas. Im indischen Kastenwesen sind die Unberührbaren die unterste Art Mensch, eine Tschandala-Frau etwa ist unreiner als eine Hündin, mit Tschandalas redet man nicht, man beschäftigt sie nicht, nimmt nichts von ihnen, meidet ihre Nähe, geschweige dass man mit ihnen einen Kaffee tränke (Söder), zu Tische säße (ich erinnere an die Entlassung von Hans Joachim Mendig) oder sich gar mit ihnen paarte.
Bender, der mit mäßigem Talent, aber nicht ohne Eifer an der Unberührbarmachung dieses politischen Milieus mitgewirkt, mitstigmatisiert hat, trifft mit diesem Begriff „durchaus etwas Richtiges, verkennt aber die Pointe der eigenen Argumentation”, schreibt Karlheinz Weißmann. „Denn die Existenz als Paria ist nicht selbstverschuldet – auch wenn das die Herren so sehen –, sondern zudiktiert. Genau das trifft auf die Mitglieder und Anhänger der AfD zu. Sie werden faktisch als Parias behandelt, wenn man sie weder nach den üblichen Regeln der Fairneß behandelt, noch gerechte Teilhabe einräumt. Schmähung ist an der Tagesordnung, und Attacken auf ihr Eigentum, aber auch auf Leib und Leben sind längst keine Ausnahme mehr, sondern die Regel, was die Allgemeinheit mit Achselzucken quittiert. Selbst wenn zur Tötung ihrer Repäsentanten aufgerufen wird, bleibt die sonst so leicht erregbare öffentliche Empörung stumm. (…)
Wer vom Nachbarn gegrüßt, von Kollegen eingeladen und im Verein wohlgelitten sein möchte, wer auf eine Karriere wertlegt oder sich von Aufträgen abhängig weiß, versteht die Warnung und meidet die Unberührbaren. Denn im Deutschland des 21. Jahrhundert genügt wie im alten Indien, daß der Schatten eines Parias auf jemanden fällt, um Unheil über ihn zu bringen. Ohne Zweifel ein archaisches Muster.”